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Steve Jobs (8): Der Neustart von Apple

Steve Jobs (7): Auf zu neuen Ufern mit NeXT

 

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"Bill, thank you" - Steve Jobs on the cover of Time Magazine
„Bill, thank you“ – Steve Jobs auf dem Cover des Time Magazines

Die von Steve Jobs eingeleitete Wende hatte radikale Auswirkungen. Er räumte im Apple-Management brutal auf, reduzierte die Produktpalette dramatisch, killte das ambitionierte Newton-Projekt von John Sculley, kündigte die Vereinbarungen mit den Herstellern von Macintosh-Clones und holte ausgerechnet seinen Widersacher Bill Gates als Retter an Bord. Auf der MacWorld Expo in Boston 1997 verkündete der Microsoft-Chef auf einer riesigen Video-Leinwand, dass der weltgrößte Software-Konzern Apple-Aktien im Wert von 150 Millionen Dollar kaufen und die Entwicklung des Office-Pakets für den Mac fortsetzen werde. Die Apple-Fangemeinde war entsetzt und buhte Jobs und Gates lautstark aus. Doch Jobs blieb bei seinem Kurs: „Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Microsoft verlieren muss, damit Apple gewinnen kann.“ In den Reihen der Apple-Mitarbeiter entfernte Jobs nun diejenigen, die er für Versager und Abzocker hielt, die das Unternehmen an den Rand der Pleite gebracht hatten. Aber nicht alle traf der Zorn des iCEO: „Es gab viele, die mir glaubwürdig versicherten, dass sie (in Anspielung auf das alte Apple-Logo) in sechs Farben bluten“, sagte der Apple-Chef 13 Jahre später rückblickend auf der Konferenz AllThingsD. Zu den frustrierten und unentdeckten Genies in der Apple-Belegschaft gehörte damals der junge Designer Jony Ive. „Er hatte die Nase voll davon, dass die Firma sich vor allem mit Profitmaximierung beschäftigte anstatt mit Produktdesign“,

schreibt Walter Isaacson in der autorisierten Steve-Jobs-Biografie. Der damals 30 Jahre alte Brite sagte: „Ich erinnere mich sehr genau daran, wie Steve verkündete, dass unser Ziel nicht allein darin bestehe, Geld zu verdienen, sondern darin, tolle Produkte herzustellen“. Ive arbeitete bereits seit 1992 bei Apple, war von den Apple-Bossen Sculley, Spindler und Amelio aber ignoriert worden.

Weniger ist mehr

Mit Ive zogen Ideen des deutschen Industriedesigners Dieter Rams bei Apple ein, der maßgeblich die Formensprache beim Elektrogerätehersteller Braun entwickelt hatte. „Weniger ist mehr“ – der Grundsatz von Rams wurde nun auch zum gestalterischen Credo von Jony Ive und Steve Jobs. Ive verwandelte mit dem ersten iMac G3 die typische beigefarbene PC-Kiste in ein halbdurchsichtiges, bonbonförmiges Lifestyle-Bekenntnis. Mit den PowerBooks aus Titan und Aluminium huldigte Ive seinem Vorbild Rams, der bereits 1963 für den legendären Weltempfänger T1000 ein ähnlich aussehendes Alugehäuse entworfen hatte. Und im ersten iPhone fand sich im Jahr 2007 eine in Software gegossene Kopie des Taschenrechners ET44, den Rams 20 Jahre zuvor für Braun gestaltet hatte.

Bildergalerie: Design-Vorbild Braun

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Steve Jobs fasste die geistige Grundlage für das neue Design-Grundgesetz bei Apple 1998 so zusammen: „Einfach kann schwerer als komplex sein: Man muss hart arbeiten, um das eigene Denken so sauber zu bekommen, damit man es einfach machen kann. Aber schließlich lohnt es sich, weil man Berge versetzen kann, wenn man erst mal dahin gelangt.“ Und es ging ihm nicht um billige Mode-Effekte. „Mode ist, was jetzt schön erscheint und später hässlich aussieht“, sagte Jobs seiner leiblichen Schwester Mona. „Kunst kann zunächst hässlich aussehen, wird später aber schön.“

Doch nicht nur äußerlich sahen die Apple-Rechner nun anders aus. Auch die Software der Macs erhielt ein neues Fundament. Im September 2000 kam die erste öffentliche Betaversion des neuen Betriebssystems Mac OS X heraus, das auf der NeXTStep-Software beruhte. Über den Unix-Kern stülpten die Apple-Designer die neue Bedienoberfläche Aqua. Sie war dem Design des iMac G3 nachempfunden und von transparenten Menüs, hellen Nadelstreif-Mustern und riesigen Icons geprägt. Das Mac OS X wurde in den vergangenen elf Jahren immer wieder verbessert und ausgebaut und liegt nun in der Version 10.7 „Lion“ vor. Aus Mac OS X wurde auch das Mobilsystem iOS für iPhone, iPod touch und iPad abgeleitet. Mit einem neuen Betriebssystem alleine hätte Apple vermutlich die Wende nicht geschafft. Es fehlte eine Suite von Multimedia-Programmen, die sorgfältig aufeinander abgestimmt sind. Dabei griff Steve Jobs auf Hilfe aus Deutschland zurück und übernahm im April 2000 das kleine Karlsruher Software-Unternehmen Astarte. Die Truppe um Freddie Geier sorgte auch dafür, dass Apple ohne größeren Schaden aus einer Sammelklage enttäuschter OS-9Kunden herauskam, die einen funktionierenden DVD-Player vermissten. Noch Jahre später berichteten Mitglieder aus dem Astarte-Team, wie faszinierend und anstrengend zugleich die Zusammenarbeit mit Jobs war. „Er kannte jedes Detail. Und fast jedes Mal, wenn er mal wieder unsere Vorschläge auseinandergenommen und eigene Ideen präsentiert hatte, dachte ich, verdammt, darauf hätte ich auch kommen können“, sagt Geier.

Die iPod-Revolution

Mit der Gründung und Rettung von Apple und dem Macintosh alleine hätte sich Steve Jobs schon einen prominenten Platz in der Computer-Geschichte verdient. Doch seine wegweisenden Entwicklungen reichten weit über die Welt der Personal Computer hinaus. Mitte Oktober 2001 erhielt ein ausgesuchter Kreis von Technikjournalisten in den USA eine Einladung zu einem Event auf dem Firmen-Campus in Cupertino, auf dem ein „wegweisendes Digitalgerät“ vorgestellt werden sollte. „Hinweis: Es ist kein Mac.“ Jobs hatte gerufen, um den ersten iPod vorzustellen, an dem er mit seinem Team über ein Jahr lang gearbeitet hatte. Sechs Wochen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 befanden sich die Menschen in den USA noch in einem Schockzustand.

Kein Wunder, dass die Präsentation des ersten iPod damals in der Öffentlichkeit zunächst kaum Beachtung fand. Nur wenige hatten damals die Vorstellungskraft, dass ein Gerät, etwas kleiner als eine Zigarettenschachtel mit einer eingebauten Festplatte, einem Klickrad und der dazugehörigen iTunes-Software, die gesamte Musikindustrie auf den Kopf stellen könnte. Als der iPod einige Zeit später auch mit Windows-Rechnern zusammenarbeitete, sah man die weißen Apple-Kopfhörer immer häufiger in der Öffentlichkeit.

Steve Jobs and iPod on the cover of Newsweek
Steve Jobs and iPod on the cover of Newsweek

Jobs ging es aber nicht allein um ein portables Gerät, auf das man seine Musiksammlung für unterwegs überspielen konnte. Dem Musikliebhaber und Bob-Dylan-Fan war klar, dass illegale Filesharing-Dienste wie Napster und Kazaa die Musikindustrie zugrunde richteten – insbesondere weil es kaum legale Alternativen zum bequemen Download der Songs gab. Daher pilgerte er zu Stars wie Bono von U2 und sprach bei den Verantwortlichen der Musikindustrie wie Paul Vidich, dem Chef von AOL Time Warner, vor. Sie sollten ihm die Lizenzen für den digitalen Musikvertrieb geben und ein möglichst einfaches Preismodell („99 Cent pro Song“) ermöglichen.

Nach langem Zögern gaben die Plattenbosse nach. Viele Manager in der Musik- und Filmindustrie haben bis heute nicht verstanden, dass Jobs der Retter und nicht der Totengräber der Branche war – auch wenn die Erlöse via iTunes nicht alle Verluste aus dem verloren gegangenen Schallplatten-, CDoder DVD-Geschäft kompensieren konnten. Mit dem iPod und iTunes veränderte Steve Jobs die Gesetze der Musikindustrie und von Hollywood für immer und baute die Erlösbasis für Apple signifikant aus. Besonders freute ihn, dass er noch zu seinen Lebzeiten den juristischen Konflikt mit dem Musiklabel Apple Records lösen und die von ihm so geliebten Beatles in den iTunes-Katalog aufnehmen konnte.

The Beatles in iTunes
The Beatles in iTunes

Weiterlesen: Teil 9 – Megaerfolg mit iPod und iPad

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