Donnerstag, Dezember 12, 2024
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John Sculley

John Sculley auf dem Cover seiner Autobiografie 'Odyssey'
John Sculley auf dem Cover seiner Autobiografie ‚Odyssey‘

Die Chance, die Welt zu verändern

Ein Satz wird John Sculley bis an sein Lebensende verfolgen: “Möchten Sie wirklich den Rest Ihres Lebens damit verbringen, Zuckerwasser zu verkaufen oder wollen Sie die Chance ergreifen, die Welt zu verändern?” („Do you want to spend the rest of your life selling sugared water or do you want a chance to change the world?“) Mit dieser Provokation versuchte Apple-Gründer Steve Jobs den erfolgreichen Pepsi-Manager Sculley im März 1983 davon zu überzeugen, seine Karriere-Laufbahn bei PepsiCo an der Ostküste zu beenden und sich auf das große Abenteuer Apple Computer einzulassen. Jobs hatte seit Wochen John Sculley zusammen mit seinem Mentor Mike Markkula bearbeitet: Sculley sollte bei Apple die Rolle des Chief Executive Officers (CEO) einnehmen und das Management leiten. Der arrogante Satz des jungen Apple-Mitbegründers vom gezuckerten Wasser muss bei dem Ost-Küsten-Mann tatsächlich einen Meinungswechsel verursacht haben. In seiner Autobiographie „Odyssey – Pepsi to Apple“ schreibt Sculley zumindest, dass ihn diese Worte noch tagelang verfolgt hätten.

Es war, als ob jemand ausgeholt und mir einen harten Schlag in die Magengrube versetzt hätte. Da machte ich mir Sorgen, meine Karriere bei Pepsi aufzugeben, auf mein Altersruhegeld und meine Zusatzvergütungen zu verzichten, meine Loyalität gegenüber (Pepsi-CEO Donald M.) Kendall zu verletzen und fürchtete, mich nicht in Kalifornien einleben zu können – alles ganz pragmatische Überlegungen für einen Mann in den mittleren Jahren. Ich konfrontierte mich auf einmal mit der Feststellung, dass mein ganzes Leben an einem Kreuzweg angekommen war. Die Frage war unglaublich schwer zu beantworten – ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Mir fehlten die Worte.

John Sculley

Goldener Handschlag zum Antritt

Die Bedenken von Sculley wurden letztlich auch durch ein üppiges Kompensationspaket aus dem Weg geräumt. Apple bot dem neuen CEO einen Jahresgehalt von einer Million Dollar – fünfzig Prozent als Grundgehalt, fünfzig Prozent als Tantieme. Dazu kam eine weitere Million Dollar als „Startgeld“ zu Beginn und eine Million als Entschädigungssumme, wenn die Zusammenarbeit nicht funktionieren sollte. Apple erklärte sich außerdem bereit, die Differenz zwischen dem Verkauf von Sculleys Haus an der Ostküste und dem Kauf eines vergleichbaren Hauses in Kalifornien zu tragen, „was das Unternehmen am Ende noch eine Million Dollar kosten sollte“, wie Sculley in seinem Buch vorrechnet. Dazu kamen noch Optionen auf 350.000 Apple-Aktien. Mit diesem goldenen Begrüßungs-Handschlag trat Sculley im Mai 1983 bei Apple an.

Apple II
Apple II

Apple war zu diesem Zeitpunkt dem Stadium eines Garagen-Startups längst entwachsen. Apple-Mitbegründer Steve Wozniak hatte 1977 den legendären Apple II entwickelt, von dem im ersten Jahr nur 600 Exemplare abgesetzt wurden. Doch spätestens mit der Premiere der Tabellenkalkulation VisiCalc (1979) entwickelte sich der Apple II zu einem Bestseller in der damals noch sehr kleinen und jungen PC-Branche.

1981 verkaufte Apple 210.000 Geräte und verdrängte Konkurrenzprodukte wie den Commodore PET oder den TRS-80 von Radio-Shack auf die hinteren Plätze. Als John Sculley 1983 bei Apple anfing, hing das Unternehmen noch immer an den Umsätzen, die der Apple II in die Kasse spülte, obwohl das Gerät technologisch nicht mehr taufrisch war. Es wurden höchste Zeit, dem One-Trick-Pony Apple einen weiteren Trick beizubringen, zumal immer häufiger der 1981 auf den Markt gebrachte IBM-PC Apple die Show stahl.

Marktanteile der 8-Bit-Computer (1980-1984)
Marktanteile der 8-Bit-Computer (1980-1984)

Apple tat sich aber schwer damit, einen erfolgreichen Nachfolger des Apple II am Markt zu etablieren. Im Mai 1980 wurde der Apple III vorgestellt, der sich jedoch aus mehreren Gründen zum teuren Flop entwickelte. Dazu gehörten der hohe Preis und die in der Praxis unvollständige Kompatibilität zum beliebten Apple II und dessen bereits recht großer Softwarebibliothek. Außerdem plagten den Apple III waren technische Probleme, wie etwa häufige Abstürze durch Überhitzung und die Tendenz der Chips, aus ihren (billigen) Sockeln zu rutschen.

Die schwierige Suche nach einem Apple-II-Nachfolger

Nicht viel mehr kommerziellen Erfolg hatte das Unternehmen mit dem Apple Lisa, die vier Monate vor dem Amtsantritt von Sculley der Öffentlichkeit vorgestellt worden war. Technologisch markierte „The Lisa“ einen Meilenstein: Der Rechner verfügte über eine Maus sowie über ein Betriebssystem mit grafischer Benutzeroberfläche, in der die Apple-Ingenieure Grundkonzepte aus dem legendären Forschungszentrum Xerox PARC in ein brauchbares Produkt umgesetzt hatten. Doch mit einem Preis von rund 10.000 US-Dollar verkaufte sich der Rechner äußerst schlecht.

Somit ruhten alle Hoffnungen auf dem Apple Macintosh. Das Macintosh-Projekt war 1979 vom damaligen Apple-Boss Michael Scott („Scotty“) und Apple-Chairman Mike Markkula bei Jef Raskin in Auftrag gegeben worden, der ursprünglich einen Volkscomputer für 500 bis 1.000 Dollar – noch ohne eine grafische Bedieneroberfläche (GUI) – geplant hatte. Raskin verlor das Projekt aber 1981 an Steve Jobs, dem zuvor die Zuständigkeit für das kränkelnde Lisa-Projekt entzogen worden war.

Nach dem legendären Besuch von Steve Jobs und seinen Mitarbeitern im Forschungszentrum Xerox PARC war allen Projektbeteiligten klar, dass der Mac wie der Alto von Xerox eine Maus und eine GUI haben musste – nur viel besser als bei den „reichen Nachbarn“ von Xerox. Auch an dieser Stelle sei betont, dass die Apple-Crew nicht einfach das Know-how der Forscher im Xerox PARC ausgeplündert hat. Vielmehr beruhte der Wissenstransfer auf einer Vereinbarung zwischen den beiden Unternehmen, für die Xerox mit Apple-Aktien noch vor dem Börsengang reichlich belohnt wurde.

Mit den zusätzlichen Anforderungen, die Steve Jobs nun an den Mac stellte, rückte das Preisziel von 1.000 Dollar in weite Ferne. So entschied der Apple-Gründer im Mac die ersten 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerke von Sony zu verbauen, was den Preis um 50 Dollar erhöhte. Schließlich landete das Mac-Team bei einer Preismarke von knapp 2.000 Dollar. Die Preisfindung für den Mac führte zum ersten fundamentalen Konflikt zwischen John Sculley und Steve Jobs. Der neue Apple-CEO bestand darauf, den Mac für 2.495 Dollar auf den Markt zu bringen – Jobs wollte mit 1.995 Dollar unter der 2.000-Dollar-Marke bleiben. Das Macintosh-Team fühlte sich vor den Kopf gestoßen, wie man im Bericht von Andy Hertzfeld eindrucksvoll nachlesen kann. Die Entwickler sahen keinen Sinn darin, den Mac für ein großes Marketing-Budget zu teuer zu machen. Sie hätten den Mac für Leute wie sie selbst entwickelt und der von Sculley geforderte Preis sei ein Verrat an ihren Grundsätzen. Im ersten Machtkampf zwischen Sculley und Jobs setzte sich der neue CEO gegen den Apple-Gründer durch.

Mit einem legendären TV-Spot wurde der Apple Macintosh vorgestellt
Mit einem legendären TV-Spot wurde der Apple Macintosh vorgestellt

Bis zur grandiosen Premiere des Apple Macintosh im Januar 1984 mit dem berühmtesten Werbespot aller Zeiten (“1984?) gelang es den beiden jedoch, die internen Konflikte nicht nach außen dringen zu lassen. Steve Jobs und John Sculley wurden in den Medien weiterhin als das „Dynamic Duo“ des Silicon Valleys gefeiert – obwohl das Verhältnis zwischen ihnen durch den Konflikt um den Macintosh-Preis einen tiefen Riss erlitten hatte.

Der erste Riss zwischen Sculley und Jobs

Als ‘Apple's Dynamic Duo‘ gefeiert: Steve Jobs und John Sculley auf dem Cover der BusinessWeek
Als ‘Apple’s Dynamic Duo‘ gefeiert: Steve Jobs und John Sculley auf dem Cover der BusinessWeek

In den Berichten über Apple im Frühjahr 1984 kann man davon aber nichts lesen: Steve Jobs war das Wunderkind mit einem untrüglichen Gespür für innovative Technologien. John Sculley nahm die Rolle des großen Marketing-Gurus ein, der hart daran arbeitete, seinen überragenden Erfolg der „Pepsi Challenge“ im Kampf gegen den Branchenprimus Coca-Cola auf die IT-Industrie zu übertragen.

Zu einer leichten Entspannung zwischen Jobs und Sculley trug die Tatsache bei, dass sich der Apple Macintosh in den ersten Wochen blendend verkaufte. Doch nachdem sich der Rummel um die Macintosh-Premiere gelegt hatte, sackten die Verkaufszahlen schnell ein.

Für Steve Jobs stand im Herbst 1984 der Schuldige fest: John Sculley und sein Drängen nach einer hohen Marge, die den Mac aber letztlich bei einem großen Publikum unverkäuflich machen. Noch 25 Jahre nach der Markteinführung des Macintosh kochte der Apple-Gründer vor Wut: „Es war der Hauptgrund, warum der Macintosh-Verkauf nachließ und Microsoft den Markt erobern konnte“, sagte Jobs.

Sculley nannte in einem Interview mit Robert X. Cringley in der TV-Doku „Triumph of the Nerds“ 1994 für den anfänglichen Misserfolg des Macs aber ganz andere Gründe – Probleme, die Steve Jobs laut Sculley einfach nicht wahrnehmen wollte:

(Der Mac) konnte nicht sehr viel. Wir hatten Mac Paint und Mac Write. Das waren unsere einzigen Anwendungen. Und der Markt bekam das mit. Und Ende des Jahres (1984) sagte viele: „Nun, der IBM-PC ist vielleicht nicht so einfach zu bedienen und nicht so attraktiv wie der Macintosh. Aber er macht letztlich, was wir ihn erledigen lassen wollen: Tabellenkalkulation, Textverarbeitung und Datenbanken.“ Vor diesem Hintergrund sanken Ende 1984 die Absatzzahlen des Macs und er wurde im folgenden Jahr zum Problem.

Im Dezember 1984 erwirtschafte das Unternehmen mit dem in die Jahre gekommenen Apple II rund 70 Prozent der Umsätze, obwohl der Mac längst die Rolle der „Cash Cow“ hätte übernehmen sollen. Ein TV-Beitrag der PBS-Magazin-Sendung „MacNeil-Lehrer NewsHour“ vom 5. April 1985 beweist, dass Apple diese Probleme im Frühjahr 1985 auch nicht mehr unterm Deckel halten konnte.

PBS-Korrespondentin Elizabeth Brackett arbeitete in dem Beitrag klar heraus, dass der Mac eigentlich der bessere und begehrenswertere Computer war, mit dem allerdings gewöhnliche Geschäftsleute damals allerdings noch wenig anfangen konnten. Die PBS-Journalistin konnte damals noch nicht ahnen, wie heftig hinter den Kulissen der Machtkampf zwischen Steve Jobs mit John Sculley tobte: Mit Unterstützung von Apple-Investor Mike Markkula und dem Apple Board entzog Sculley dem Apple-Mitbegründer Jobs Ende März 1985 die Leitung der Macintosh-Gruppe.

Der Showdown

In die Ecke gedrängt unternahm Jobs im Mai 1985 noch einmal den Versuch, das Board of Directors umzustimmen und Sculley zu entlassen. Zusammen mit einigen Getreuen aus dem Mac-Team wollte Jobs seinen Ziehvater Markkula von einem Umstrukturierungsplan überzeugen. Mit diesem Plan hätte Apple Jobs die Führungs-Verantwortung übertragen oder ihm zumindest die operative Leitung des Produktbereichs gelassen. Doch Markkula zeigte sich wenig beeindruckt: “Ich sagte, ich würde seinen Plan nicht unterstützen und damit basta”, erinnert sich Markkula laut Isaacson. “Sculley war der Boss. Sie waren wütend und furchtbar emotional und probten den Aufstand. Aber so läuft das eben nicht.”

Jobs konnte nicht fassen, was mit der von ihm gegründeten Firma geschah. Von seiner anfänglichen Begeisterung für Sculley war nichts übrig geblieben. Er hielt den Ostküstenmann inzwischen für einen Volltrottel, der nur auf seinen persönlichen Profit bedacht sei. Seinem Biografen Isaacson sagte Jobs:

Das Board hielt mich für nicht fähig, ein Unternehmen zu leiten und deshalb traf es diese Entscheidung. Aber sie begingen einen Fehler. Sie hätten gesondert darüber entscheiden sollen, was sie mit mir machen und was sie mit Sculley machen. Sie hätten Sculley feuern sollen, auch wenn sie meinten, ich sei noch nicht so weit, Apple zu leiten.

Steve Jobs

Am 17. September 1985 zog Steve Jobs die Konsequenz und trat von allen Ämtern bei Apple zurück und verließ mit einigen Anhängern das Unternehmen. Mit den Erlösen aus dem Verkauf seiner Apple-Aktien gründete er ein neues Unternehmen (NeXT). Außerdem kaufte er George Lucas, der sich damals in einem kostspieligen Scheidungskrieg befand, seine Trickfilm-Abteilung ab, aus der dann Pixar wurde.

Steve Jobs verlässt Apple

Sculley rechtfertigte sein damaliges Verhalten in der Auseinandersetzung mit Steve Jobs in einem Interview mit der BBC (Januar 2012):

Ich denke, Steve und ich hatten eine tolle Beziehung, wenn alles gut lief. Er interessierte sich wirklich für Consumer Marketing, weil er davon überzeugt war, dass es bei der Zukunft der Personal-Computing-Branche darum ging, wie man Computer vermarktet – genau so wie bei Consumer-Produkten großer Marken wie Pepsi und Coke.

Ich wurde zu Apple geholt, nicht weil ich etwas über Computer wusste – wie man sie baut -, sondern weil das Unternehmen den Apple II kommerziell am Leben halten musste. Der Apple II stand am Ende seines Lebenszyklus‘. Er musste für weitere drei Jahre genügend Cash generieren, so dass Steve den Macintosh bauen und erfolgreich starten konnte. Während dieser Zeit sind Steve und ich sehr gut miteinander klar gekommen.

Als der Macintosh Office im Jahr 1985 eingeführt wurde und scheiterte, war Steve todtraurig. Er war deprimiert, und er und ich hatten eine große Meinungsverschiedenheit, als er den Preis des Macintosh niedriger festlegen wollte. Ich wollte mich auf den Apple II konzentrieren, weil wir eine Aktiengesellschaft waren.

Wir mussten die Gewinne des Apple II haben und konnten es uns nicht leisten, den Preis des Macintosh zu senken, weil wir die Gewinne vom Apple II benötigten, um gute Zahlen vorzulegen und uns nicht nur mit den Problemen des Macs zu beschäftigen. Das führte letztlich zu den Meinungsverschiedenheiten und dem Showdown zwischen mir und Steve. Als die Board-Mitglieder sich schließlich mit der Frage beschäftigten, beschlossen sie, dass meine Position diejenige war, die sie unterstützen wollten.

Entgegen den düsteren Prognosen von Steve Jobs liefen die Geschäfte bei Apple nach seinem Weggang 1986/87 aber wieder besser. Vielleicht hatte John Sculley in dieser Phase auch einfach nur Glück. 1985 fehlten dem Mac noch die Anwendungen, die im IBM-Werbespot für den PC die Charlie-Chaplin-Figur Karton für Karton durchs Bild schleppte. Daher bemühten sich Guy Kawasaki und andere “Software Evangelists” von Apple die Entwickler in anderen Softwarefirmen davon zu überzeugen, Programme für den Mac zu schreiben. Das mit 128 Kilobyte viel zu enge bemessene ROM des Mac machte diese Aufgabe nicht einfach. Ein Jahr nach dem ersten Macintosh der “Fat Mac” mit 512 Kilobyte raus kam, war der enge Flaschenhals jedoch beseitigt.

Moores Gesetz hilft Sculley aus der Patsche

Selbst Sculley räumt ein, dass ihm eine allgemeine Entwicklung zugute gekommen ist und er nicht viel unternehmen musste, um das Macintosh-Geschäft anzukurbeln:

Ironischerweise sorgte Moores Gesetz dafür. Es ging also nicht um die Frage, ob Steve oder ich recht hatte. Computer waren 1985 einfach noch nicht stark genug für anspruchsvolle Grafik-Leistungen, die man benötigte, um Laserdrucker anzusteuern. Und ironischerweise dauerte es nur 18 Monate, bis die Computer leistungsfähig genug waren, dass wir die Mac Office in Desktop Publishing umbenennen konnte. Es wurde sehr erfolgreich.

Es war nicht meine Idee, es war alles der Kram von Steve, aber er war nur eineinhalb Jahre zu früh.

John Sculley

Zum Erfolg im zweiten Anlauf trug auch der glückliche Umstand bei, dass sich rund um den Mac die Grundlagen für das Desktop Publishing (DTP) entwickelten, mit dem Gutenbergs Erfindung (Satz und Druck) zum ersten Mal seit über 500 Jahren tiefgreifend revolutioniert wurde.

Aldus PageMaker
Aldus PageMaker (1087)

Das Software-Unternehmen Aldus brachte im Juli 1985 das Programm PageMaker auf den Markt. In Verbindung mit der Seiten-Beschreibungssprache PostScript von Adobe konnten Broschüren, Magazine, Bücher oder Kataloge am Bildschirm entworfen und auf einem Laserdrucker wie dem Apple LaserWriter oder mit Hilfe eines PostScript-fähigen Belichters von Linotype gedruckt werden. DTP war die „Killer-Anwendung“, die der Macintosh so dringend benötigte.

1987 verkaufte Apple eine Millionen Macs und spielte plötzlich wieder in der IBM-Klasse mit, obwohl die Marktanteile der Konkurrenz nie wieder erreicht wurden. Über die Hälfte der gut 2.000 Dollar, die der Mac damals kostete, landeten als Gewinn bei Apple. Sculley und seine Kollegen im Apple-Vorstand glaubten, dass die User immer und ewig bereit seien, für bessere Technik auch viel mehr Geld zu zahlen.

Technologisch konnte Apple noch in dieser Phase der Sculley-Ära von der Substanz zehren, die beim Weggang von Jobs im Unternehmen vorhanden war. Der französische Ingenieur Jean Louis Gassée, der von Jobs die Führung der Macintosh-Abteilung übernommen hatte, führte mit dem Mac Plus den ersten Macintosh ein, der wirklich erweiterbar war. Als Arbeitstier in den Grafikabteilungen und Redaktionen bewährte sich auch der Macintosh II, in dem der schnellere 68020-Chip von Motorola steckte und der deutlich mehr Speicher als der 68000 ansteuern konnte. Dicke Profite strich Apple auch mit dem aufgebohrten Würfelcomputer Macintosh SE ein, der immerhin 3.700 Dollar kostete (1.000 Dollar mehr als der Mac Plus).

Holprig verlief in der Ära Sculley der Einstieg von Apple ins Mobile Computing. Der erste Apple-Laptop, der Macintosh Portable, erreichte zwar mit seinen Bleisäure-Akkus (ohne Memory-Effekt) eine auch für heutige Verhältnisse beachtliche Laufzeit von bis zu 10 Stunden. Doch der Name „Portable“ passte nicht so richtig, denn das Gerät war 7,2 Kilogramm schwer. Mit einem Preis von 6.500 Dollar blieb der Macintosh Portable wie Blei in den Regalen liegen. Erst mit dem PowerBook (1991) gelang Apple ein Absatzerfolg im Notebook-Markt.

In den späten achtziger Jahren lag der Marktanteil von Apple noch bei 16 Prozent. Das war zwar weit von den Verhältnissen Ende der siebziger Jahre entfernt. Doch da damals die Rendite stimmte, waren die Aktionäre und der Verwaltungsrat von Apple mit Sculleys Arbeit zufrieden. Nach Ansicht von Steve Jobs wurden in dieser Phase aber entscheidende Fehler begangen, für die letztlich Sculley verantwortlich gewesen sei: „Sculley machte Apple kaputt, indem er schlechte Leute einstellte und auf falsche Werte setzte“, klagte er später. „Sie wollten Geld machen – hauptsächlich für sich selbst und auch für Apple -, statt tolle Produkte herzustellen.“

Das Streben nach Profit zulasten ging nach Jobs‘ Einschätzung zulasten eines wachsenden Marktanteils. „Macintosh verlor gegenüber Microsoft an Boden, weil Sculley sich nicht davon abbringen ließ, so viel Gewinn abzuschöpfen, wie er nur konnte, statt das Produkt zu verbessern und bezahlbar zu machen.“

John Sculley: Technischer Volltrottel oder genialer Jung-Erfinder?

Selbst wenn man die Ära Sculley bei Apple kritisch sieht: Das harsche Urteil von Steve Jobs war natürlich durch den Quasi-Hinauswurf 1985 überschattet und zeichnet kein differenziertes Bild von Sculley. Ob Sculley damals tatsächlich wirklich nur der ahnungslose Technik-Laie war oder ob er doch über technisches Gespür verfügte oder gar in der Lage war, Visionen zu entwerfen, kann man rückblickend nur schwer einschätzen. In seiner 1987 erschienen Autobiografie „Odyssey“ behauptet Sculley fast beiläufig, er habe als Kind nicht nur Radiogeräte zerlegt und elektrische Türöffner konstruiert, sondern Bahnbrechendes geleistet:

1954, als ich vierzehn Jahre als war, führte meine Elektronikbegeisterung dazu, dass ich eine Farbfernsehröhre erfand. Mein Vater half mir, einen Patentanwalt zu finden, aber Dr. Lawrence von den Lawrence-Livermore-Laboratorien, der Erfinder des Zyklotron-Teilchenbeschleunigers, war einige Wochen schneller gewesen als ich. Sein Patent, das später Sony erwarb, legte die Grundlage für Sonys erfolgreiche „Triniton“-Farbfernsehröhre.

John Sculley
Patent von Ernest O. Lawrence für das Konzept die Chromatron-Farbbildröhre (1951/54)
Patent von Ernest O. Lawrence für das Konzept die Chromatron-Farbbildröhre (1951/54)

Schaut man in die Technik-Geschichtsbücher, kann man lesen, dass Ernest O. Lawrence bereits 1951 das Konzept die Chromatron-Farbbildröhre entwickelt hatte. Das U.S. Patent 2,692,532 „Cathode Ray Focusing Apparatus“ wurde von Lawrence am 4. April 1951 eingereicht und am 26. Oktober 1954. Selbst wenn Sculley tatsächlich schon als Schüler eine geniale Idee gehabt haben sollte – seine Schilderung der Details kann nicht als glaubwürdig angesehen werden.

Sculley betont aber immer wieder selbst, dass Mike Markkula und Steve Jobs ihn nicht wegen seiner technologischen Visionen zu Apple geholt haben. In einem Interview mit dem „Playboy“ im September 1987 sagte er: „Zwischen ‚High Fizz‘ (Fizz=Brause) und ‚High-Tech‘ ist es ein weiter Weg.“ Er habe seine Ausbildung zunächst nicht einmal auf wirtschaftliche Themen ausgerichtet. „Ich fing als Architektur-Student an und habe dann in einem Sommer das Thema ‚Marketing‘ entdeckt, als ich in der Industrie-Design-Firma arbeitete.“ Sculley schloss dann an der Wharton School der Business School der University of Pennsylvania, mit einem MBA ab. In seiner Zeit bei Procter & Gamble habe er zu der Zeit an der Verpackung der Zahnpasta Crest gearbeitet, als das Unternehmen die Erlaubnis bekam, das Gütesiegel der American Dental Association zu verwenden. „Wir haben ihre Worte direkt auf die Tube gedruckt.“

Bei Pepsi stieg Sculley 1970 zum Vize-Präsidenten auf und beschäftigte sich mit Themen wie der Gestaltung der Pepsi-Flaschen und der Einführung von Verpackungen, in denen 12 oder 24 Pepsi-Dosen Platz fanden. Nach Einsätzen im Ausland wurde Sculley 1977 zum Pepsi-Präsidenten befördert. Sein größter Erfolg war dann die Einführung der „Pepsi-Challenge“, eine Werbekampagne, der der in Straßenumfragen Passanten aufgefordert wurden, bei einer Blind-Verkostung zu sagen, welche Cola am besten schmeckt – und bei der natürlich Pepsi die Nase vorn hatte.

Seinen ersten Personal Computer – eine Apple II – hat sich Sculley nach eigenen Angaben 1980 gekauft. „Ich kann mich daran erinnern, den Computer geöffnet und ins Innere geschaut zu haben. Ich sagte: ‚Da ist ja nichts drin‘. Ich konnte es einfach nicht glauben.“ In dem von Steve Wozniak entworfenen Apple II gab es aber keine Röhren mehr, die Sculley als Radio-Bastler wohl erwartet hatte.

Zwei Jahre später wurde Sculley von einem Headhunter kontaktiert, der im Auftrag von Apple nach einem CEO für das kalifornische Start-Unternehmen suchte. Der Rest der Geschichte ist bereits erzählt: Mit der Vision, die Welt zu verändern, lockte Steve Jobs den Pepsi-Manager 1983 nach Cupertino. Zwei Jahre später trennte sich das „Dynamic Duo“ einem lauten Knall.

Der Durchmarsch der Sculley-Gang

Nach dem Weggang von Jobs ersetzte Sculley im Apple-Management systematisch Experten mit einem technischen Hintergrund durch Marketing-Leute. So stieg 1987 Allan Z. Loren, der von einem Versicherungsunternehmen zu Apple gekommen war, zum Leiter der Computer-System-Abteilung auf. In diesem Jahr sagte Sculley in dem Playboy-Interview auch voraus, dass in einem Zeitraum von 20 Jahren die Sowjetunion eine bemannte Mission zum Mars erfolgreich abschließen können und der Wert der börsennotierten  Unternehmen in Japan höher sei als in den USA.

Sculley wollte nicht nur als Marketing-Mann in die Chroniken der Technologie-Geschichte eingehen, sondern als ein Visionär des 21. Jahrhunderts. Der Apple-CEO beauftragte damals den späteren Netscape-Designer Hugh Dubberly und die Künstlerin Doris Mitsch mit der aufwändigen Produktion des Videos „Knowledge Navigator“, in dem die Vision eines vernetzten Tablet-Computers, visualisiert wird, der Persönlicher Digitaler Assistent, Kommunikationszentrale und vernetzte Wissensmaschine in einem ist. Das Team, zu dem auch Mike Liebhold, Michael Markman und Mitarbeiter der Kenwood Group, einer externen Produktionsfirma gehörten, wurde von Bud Colligan geleitet, der bei Apple für das Marketing im Bereich „Higher Education“ zuständig war. Das Video wurde im Oktober 1987 erstmals öffentlich ausgeführt. In dem Film spielt im im Jahr 2009. Der „Knowledge Navigator“ dient einem Berkeley-Professor als „Persönlich Digitaler Assistent“ bei seiner Arbeit.

Parallel zur Videoproduktion beschrieb Sculley in seiner Autobiografie die Vision eines „Macintosh der Zukunft“. Der „Knowledge Navigator“ könnte eine „wunderbare Phantasiemaschine“ sein, „ein Entdecker neuer Welten, ein ebenso wunderbares Werkzeug wie die Druckerpresse“.

Der einzelne könnte es einsetzen, um durch Bibliotheken, Museen, Datenbanken und Regierungsdokumente zu „fahren“. Dieses Werkzeug würde das Individuum nicht nur an die Schwelle dieser großen Reichtümer geleiten, wie das heute hochentwickelte Computer können, es würde ihn tief in die Geheimnisse hineinziehen, indem es die Informationen interpretiert und so in Wissen verwandelt.

John Sculley

Die Vision des Knowledge Navigators

Sculley wurde der Entwicklung des Konzeptes vom „Knowledge Navigator“ maßgeblich vom Apple Fellow Alan Kay beeinflusst.

Dynabook-Konzept von Alan Kay (August 1972)
Dynabook-Konzept von Alan Kay (August 1972)

Der Informatiker gilt als Pionier des objektorientierten Programmierens, das er an der University of Utah in den späten 60er Jahren im Rahmen eines APRA-Projektes konzipierte. Am Forschungszentrum Xerox PARC entwickelte Kay zusammen mit Dan Ingalls, Adele Goldberg und anderen in den siebziger Jahren die objektorientierte Programmiersprache Entwicklungsumgebung Smalltalk. Am Xerox PARC entwarf Kay außerdem das konzeptionelle Computer-System Dynabook, das letztlich den modernen Tablet-Computern wie dem iPad ähnelt.

Kay trat 1986 an Sculley heran und forderte größere Forschungsanstrengungen bei Apple ein, weil es keine Institution gebe, von der Apple Konzepte für einen Personal Computer der nächsten Generation übernehmen könne: „Beim nächsten Mal werden wir kein Xerox haben.“ Jede innovative Technologie – egal wie einfach oder komplex – benötige 15 bis 20 Jahre, um sich von einem Konzept zu einer kommerziellen Anwendung zu entwickeln. Daher wurde es Zeit, für die Forschungs- und Entwicklungsarbeit bei Apple ein Konzept in den Raum zu stellen.

Die Quintessenz der jahrelangen Untersuchung von Alan wurde im Jahre 1987 in einem Konzept umgesetzt, das wir als Knowledge Navigator bezeichneten. Moore’s Law hatte ja schon vorausgesagt, dass die (ständig wachsende) Rechenleistung in den kommenden zwanzig Jahren in der Lage wäre, dreidimensionale Geometrien in Echtzeit zu manipulieren. Der Knowledge Navigator sagte eine Welt der interaktiven Multimedia-Kommunikation voraus, in der Rechenleistung als gewöhnlicher Gebrauchsgegenstand allgenwärtig ist. Auf Wissens-Anwendungen werde dann durch intelligente Agenten zugegriffen, die über Netzwerke mit riesigen Mengen an digitalisierten Informationen verbunden sind.

Dem Knowledge Navigator sollten eine Reihe neuartiger Schlüsseltechnologien zugrunde liegen:

  1. Fortschrittliche Kommunikationstechnologie, die weltweit Rechner und Datenbanken miteinander verbindet und den Anwendern breitere Informationspfade zur Verfügung stellt.
  2. Echtzeit-Animationen in 3D, die es erlauben, komplexe Modelle zu visualisieren.
  3. Verbesserte Datenbank-Technologien als Schlüssel zu umfassenden Informationssystemen.
  4. Hypermedia, die Verbindung von Text, Grafiken, Ton und bewegten Bildern, die den zukünftigen Computer-Anwendern intuitiv den Weg durch riesige Informationssammlungen weist.
  5. Spracheingabe, da die Tastatur als Eingabeinstrument nicht flexibel genug ist
  6. Maschinelle Übersetzung von fremdsprachigen Quellen in die Muttersprache des Anwenders.
  7. Künstliche Intelligenz als Schlüsseltechnologie. Die künstliche Intelligenz erlaubt die Verwendung von Agenten, die sowohl persönliche Vorlieben der Anwender erkennen als auch Strategien vorschlagen und damit zur Steigerung der Produktivität beitragen.

Das Video „Knowledge Navigator“ wurde für einen Auftritt von John Sculley auf Educom im Oktober 1987 produziert, der wichtigsten Hochschul-Konferenz für wissenschaftliche Datenverarbeitung. „John Sculley sollte der Hauptredner auf der Educom sein. Für uns stand einiges auf dem Spiel, um dort eine ‚Vision‘ von Apple zu zeigen“, erinnert sich Bud Colligan. Nach seiner Erinnerung wurde das Video im Spätsommer 1987 innerhalb von nur sechs Wochen entworfen und produziert. „Wenn wenig Zeit zu Verfügung steht, bringt das manchmal tatsächlich ein Projekt auf den Punkt, hält das Skript straff und kappt die Länge.“

Hier ist ein weiteres Video, das aus dem gleichen Projekt entstand. Darin diskutieren Alan Kay, Steve Wozniak, Diane Ravitch (Director, Encyclopaedia Britannica) und andere die Auswirkungen des „Knowledge Navigator“-Konzeptes auf Bereiche wie Lernen, Computing und die Geschäftswelt.

Der Knowledge Navigator sollte aber nicht nur ein abstraktes Konzept bleiben, sondern sich auch in einem konkreten Produkt – einem Personal Digital Assistant (PDA) niederschlagen. Dabei hatte Apple-Chef John Sculley nicht die Geduld, „15 bis 20 Jahre“ zu warten, bis sich aus einem abstrakten Konzept ein funktionierendes Produkt entwickelt, wie Apple-Fellow Alan Kay postuliert hatte.

Vom Knowledge Navigator zum Apple Newton

Bei der Suche nach einem talentierten Ingenieur und Manager, der das PDA-Projekt vorantreiben sollte, wurde Sculley in der Entwicklung-Abteilung von Apple auf Steve Sakoman aufmerksam. Der ehemalige HP-Angestellte war noch von Steve Jobs 1984 bei Apple eingestellt worden, um an einer Laptop-Version des Macintosh mitzuentwickeln. Nachdem Jobs das Unternehmen verlassen hatte, waren auch die Laptop-Pläne auf Eis gelegt worden. Sakoman arbeitete stattdessen in führender Position an der Entwicklung des Mac Plus, Mac SE und Mac II mit. Mit seiner Aufgabe war Sakoman aber nicht zufrieden. Immer wieder versuchte er die Apple-Spitze davon zu überzeugen, einen mobilen Rechner mit Handschriften-Erkennung zu entwickeln. Um seinen Traum zu verwirklichen, stand er kurz davor, Apple zusammen mit Jean Louis Gassée zu verlassen, um ein eigenen Unternehmen zu gründen. Als Investor stand schon der Gründer von Lotus, Mitch Kapor, bereit. Doch dazu kam es nicht – vermutlich auch, weil Apple die Abtrünnigen verklagt hätten. Um Sokoman bei Laune zu halten, schlug Gassée ein „skunk works project“, also ein kleines, geheimes Unternehmensprojekt, vor. Sokoman griff die Idee begeistert auf und nannte das Projekt Newton nach dem legendären Naturforscher Sir Isaac Newton, der auch auf dem ersten Apple-Logo zu sehen war. Zusammen mit einem Tam von Ingenieuren, zu denen auch der Entwickler des Finder, Steve Capps, gehörte, zog sich Sakoman in ein Bürogebäude in der Bubb Road in Cipertino zurück, in dem einst Steve Jobs die Entwickler-Truppe des ersten Apple Macintosh bis zur Erschöpfung angetrieben hatte.

Es sollte dem Newton-Team nicht gelingen, in den kommenden drei Jahren einen funktionierenden Prototypen des Apple Newton zu entwickeln, obwohl Gassée dafür sorgte, dass das Projekt genügend Mittel zur Verfügung hatte. Insbesondere die angestrebte Handschriftenerkennung bereitete große Probleme. Als der deutsche Apple-Manager Michael Spindler 1990 die Position des Geschäftsführers (COO) hinter John Sculley übernahm, versiegte der Finanzstrom. Gassée und Sakoman verließen Apple, um Be Inc. zu gründen – hinterließen aber immerhin halbwegs brauchbare Spezifikationen und Preiskalkulationen. Apple-Manager Larry Tesler, der 1980 vom Forschungsinstitut Xerox PARC zu Apple gekommen war, musste nun beurteilen, ob nun der Newton zu Ende entwickelt und auf den Markt gebracht werden soll oder ob das Apple-interne Konkurrenzprojekt „Pocket Crystal“ zum Zuge kommen sollte, an dem Apple-Legenden wie Andy Hertzfeld, Marc Porat und Bill Atkinson gearbeitet hatten. Tesler entschied sich für das Newton-Konzept.

Die drei Freunde Atkinson, Porat und Hertzfeld gründeten im Mai 1990 die Firma General Magic und entwickelten auf der Basis von „Pocket Crystal“ das Mobil-OS Magic Cap und ein Konzept von virtuellen Agenten, die auf der Basis der Programmiersprache Telescript durch das Netz streifen und Inhalte recherchieren oder Aufgaben erledigen. Das Unternehmen ging im Februar 1995 an die Börse – konnte allerdings nie wirklich erfolgreiche Produkte am Markt platzieren. Das geistige Eigentum der Firma landete 1998 vor allem bei Microsoft. Am 17. September 2002 stellte General Magic den Betrieb ein. Viele Patente des gescheiterten Unternehmens wurden von Microsoft-Mitbegründer Paul Allen ersteigert.

Zurück zu den Aktivitäten bei Apple im Jahr 1990: Nach der Vorauswahl von Tesler setzte Apple-Chef Sculley dem Newton-Team eine Frist, um den Status eines Forschungsprojektes zu beenden. Am 2. April 1992 sollte der Apple Newton für 1.500 Dollar auf den Markt kommen, lautete die Ansage von Sculley. Diese Vorgaben führten auch dazu, dass ein von Tesler favorisiertes größeres (und teueres) Newton-Modell („Senior“) verworfen.

Prototyp des Apple Newton
Prototyp des Apple Newton

Den von Sculley gesetzten Zeitrahmen konnte das Newton-Team natürlich nicht einhalten. Immerhin wagte sich der Apple-CEO Im Mai 1992 mit einem kaum funktionierenden Prototyp des Gerätes auf auf die Consumer Electronics Show in Chicago, der von der Presse euphorisch begrüßt wurde.

Gut ein Jahr später, am 3. August 1993 war es dann soweit: Apple stellte auf der MacWorld Expo in Boston das Apple Newton MessagePad Das erste MessagePad der Baureihe basierte auf einem mit 20 MHz getakteten ARM-Prozessor 610 und hatte 4 MByte ROM und 640 KByte RAM-Speicher sowie einen monochromen Touch-LCD mit 336 × 240 Pixeln. Das originale MessagePad wurde in deutscher oder englischer Version ausgeliefert und kam im Dezember 1993 auch in Deutschland auf den Markt.

Ein Schwachpunkt der ersten Newton-Modelle war die vom russischen Unternehmen ParaGraph entwickelte Handschriftenerkennung CalliGrapher.

Pech für Apple und den Newton, dass der Calligrapher in der ersten Version unzureichend funktionierte und sich die Schreibfehler zum Newton-Image verdichteten. Von diesem Image kam der Stiftrechner auch dann nicht los, als die Schrifterkennung und die Erwartungen der Nutzer kompatibel wurden. Ab der Newton-Systemversion 2.0 war die von Apple entwickelte Rosetta-Engine an Bord, die Einzelbuchstaben erkennen konnte — Calligrapher dagegen konnte nur Schreibschrift; da die deutsche Schreibausbildung weniger standardisiert ist als die amerikanische, wurde dadurch die Schrifterkennen zusätzlich erschwert. Zudem setzen Calligrapher und Rosetta auf ein Wörterbuch auf: Was nicht drin ist, wird nicht (oder nur schlecht) erkannt.

(Detlef Borchers: Apples Newton: Der Schwerkraft getrotzt, doch der Zeit voraus)

Das Newton-Desaster

Für Apple-Chef Sculley und sein „Baby“ Newton drehte sich der Wind, als sich Leute wie der Cartoonist Garry Trudeau über die offensichtliche Schwachstelle des Apple-PDA mokierten. Der Doonesbury-Comic wirkte sich für das Image des Newton verheerend aus, obwohl Garry Trudeau sich eigentlich mehr über die Geeks lustig machen wollte, die Gadgets wie den Newton für unverzichtbar halten, als über das Gerät selbst.

Garry Trudeau macht sich im Doonesbury-Comic über den Apple Newton lustig
Garry Trudeau macht sich im Doonesbury-Comic über den Apple Newton lustig

Noch bevor das Newton-Desaster  offenbar wurde, neigten sich die Tage von John Sculley bei Apple ihrem Ende entgegen. In der Welt der Personal Computer bauten IBM, Microsoft und PC-Hersteller wie Compaq ihren Vorsprung am Markt gegenüber dem Mac immer weiter aus. Und Wunder-Projekte wie der Newton oder die Spielekonsole Pipin zündeten nicht. Eine von Sculley ausgehandelte Vereinbarung mit Microsoft sorgte zwar dafür, dass der Softwaregigant weiterhin sein Office-Paket für den macintosh produzierte. Doch Apple erkaufte diesen Achtungserfolg sehr teuer, denn Microsoft ließ sich dafür quasi einen Freibrief für die Weiterentwicklung für Windows ausstellen, der Apple später in große Nöte bringen sollte. Mit den von Sculley zugesagten Rechten in der Hand, konnten Bill Gates und seine Juristen eine breit angelegte Ideenklau-Klage von Apple locker abwehren.

Sculley schien spätestens 1992 den Spaß verloren zu haben, an der Spitze von Apple zu stehen. Er tummelte sich lieber im Umfeld der Washingtoner Politik als mit seinen Ingenieuren über innovative Produkte zu sprechen. Auch in der Entwicklung eines neuen Betriebssystems für den Macintosh kam Apple in dieser Zeit nicht voran. Und die Kunden waren von der unübersichtlichen Produktpalette von Apple heillos überfordert.

John Sculley tritt zurück

Nachdem Sculley monatelang vergeblich versucht hatte, einen großen IT-Konzern zum Einstieg bei Apple zu bewegen, gab er im Sommer 1993 auf. Am 18. Juni trat John Sculley zunächst als CEO zurück und übernahm den „Grüßgott-August“-Posten des Apple Chairman. Zu seinem Nachfolger wurde Michael Spindler berufen, der dann Apple noch tiefer in den Schlamassel reiten sollte. Nachdem Apple am 14. Oktober 1993 miserable Zahlen für das 4. Geschäftsquartal mit einem 97-prozentigen Gewinn-Rückgang verkünden musste, gab Sculley auch die Position des Chairman auf und verließ Apple für immer.

Der Abgang wurde durch eine Abfindungszahlung in Höhe von einer Millionen Dollar versüßt. Außerdem erhielt Sculley noch einen mit 750.000 Dollar dotierten Beratervertrag. Apple kaufte ihm weiterhin seine 4-Millionen-Dollar-Villa in Woodside und seinen Learjet für zwei Millionen sowie Aktienoptionen im Wert von 2,4 Millionen Dollar ab. Kaum hatte Sculley das 10-Millionen-Dollar-Paket in den Händen, übernahm er bei Spectrum Information Technologies die Position des CEO und Chairman. Zu diesem Zeitpunkt leitete jedoch die amerikanische Börsenaufsicht SEC ein Verfahren gegen Spectrum wegen betrügerischer Bilanzierung ein, so dass Sculley sich bald wieder einen neuen Job suchen musste.

Zusammen mit seinen Brüdern Arthur und David gründete John Sculley dann die Investment- und Beratungsfirma Sculley Brothers LLC und beteiligte sich später an verschiedenen Internet-Unternehmen und Start-ups.

John Sculley
John Sculley

Im Februar 2011 bedauerte John Sculley im Schweizer Fernsehen, dass er dazu beigetragen hatte, dass Steve Jobs 1985 Apple den Rücken kehrte: „Steve ist unbestritten der beste Firmenchef, den es zu meinen Lebzeiten gab. Ihn rauszudrängen, war ein großer Fehler. Ich glaube nicht, dass Steve mir je verzeihen wird. Und ich denke, er wird nie wieder mit mir sprechen.“

Tatsächlich fiel zwischen Jobs und Sculley nie wieder ein Wort. Der Apple-Gründer starb am 5. Oktober 2011, ohne noch einmal mit Sculley gesprochen zu haben.

In einem BBC-Interview auf der Consumer Electronics Show 2012 in Las Vegas, wo er als Berater des Unternehmens Audax Health auftrat, betonte Sculley aber nochmals, er sei für den Niedergang von Apple Anfang der neunziger Jahre nicht verantwortlich gewesen:

Als ich Apple verließ, hatte das Unternehmen zwei Milliarden Dollar Barreserven. Apple war eine der profitabelsten Computerfirmen in der Welt – nicht nur PC-Unternehmen. Apple war die Nummer eins beim Computer-Verkauf. Dass ich Steve (Jobs) gefeuert habe, ist ein Mythos, der falsch ist. Und der Mythos, dass ich Apple zerstört habe, stimmt ebenfalls nicht. Nachdem ich gegangen bin und bevor Steve wieder zurückgekommen ist, sind viele Dinge (bei Apple) passiert.

John Sculley

Quellen:

John Sculley und John A. Byrne: Meine Karriere bei PepsiCo und Apple, ECON Taschenbuch Verlag, 2. Aufl. Düsseldorf, Wien 1991. (Dt. Ausgabe der Autobiografie Odyssey – Pepsi to Apple)

Walter Isaacson: Steve Jobs, C.Bertelsmann Verlag, München 2011.

Detlef Borchers: Apples Newton: Der Schwerkraft getrotzt, doch der Zeit voraus (Abgerufen: 20. Januar 2012, 20:20 UTC)

Seite „Knowledge Navigator“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 19. November 2010, 19:05 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Knowledge_Navigator&oldid=81700331 (Abgerufen: 21. Januar 2012, 18:20 UTC)

Artikel BBC Ex-Apple boss Sculley sets record straight on Jobs (Abgerufen: 21. Januar 2012, 16:35 UTC)

Artikel Forbes.com For a Preview of the iPad3, Watch This 23-Year-Old Apple Video (Abgerufen: 21. Januar 2012, 18:10 UTC)

Artikel: Apple – Erfolg und Misserfolg im Spiegel ausgewählter Produkte  (Abgerufen: 21. Januar 2012, 18:10 UTC)

Leander Kahney: John Sculley On Steve Jobs, The Full Interview Transcript (Abgerufen: 29. Januar 2012, 20:05 UTC)

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