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Michael Spindler (1942-2017)

Nach seinem Rücktritt als Apple-CEO am 29. Januar 1996 hatte sich Michael Spindler komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Während sich sein Vorgänger John Sculley immer wieder zu Wort meldete, um seine Strategie als Apple-Chef zu rechtfertigen, wollte Spindler nicht mehr im Rampenlicht stehen.

In der Geschichte von Apple gilt Spindler als der große Verlierer, weil es ihm nicht gelang, Apple aus der Krise durch die Bedrohung durch Microsoft und billige PC-Hersteller zu befreien. Dabei hat Apple bis heute ihm auch einiges zu verdanken.

Michael Spindler wurde am 22. Dezember 1942 in Berlin geboren. Über seine familiären Hintergründe sowie seine Kindheit und Jugend in Berlin ist wenig bekannt. Er studierte an der Rheinischen Fachhochschule in Köln und begann seine Berufskarriere 1966 bei Siemens als Elektroingenieur. Er war es aber bald leid, an technischen Details wie Magnetbandsteuerungen für Großrechner zu arbeiten. Er wollte näher am Kunden sein und wechselte zur britischen Tochtergesellschaft der Schlumberger Ltd. für Telemetrie.

1970 kehrte Spindler nach München zurück, um die Rolle des Handelsvertreters bei DEC zu übernehmen, die damals mit IBM im Minicomputermarkt konkurrierte. In dieser Zeit soll er auch schon seinen Spitznamen „Diesel“ erhalten haben, sowohl weil er groß und stark war, weil er mehr knurrte als er sprach, und auch weil er von morgens bis abends arbeitete. Spindler soll diesen Namen immer gehasst haben.

Spindler sammelte in dieser Zeit wertvolle Management-Erfahrungen, lernte bei DEC, Teams zu organisieren und zu führen. Ersah aber auch den technischen Wandel hin zum Personal Computer, weg von den großen Kisten, die DEC und IBM damals im Programm haben. Es dann nur logisch, dass Spindler 1977 den nächsten Schritt in seiner Laufbahn bei Intel setzte.

In Brüssel übernahm Spindler dann die Leitung des europäischen Marketings von Intel. Dort traf er Mike Markkula, der in der Gründungsgeschichte von Apple einen zentralen Platz einnimmt.

Markkula, hatte bereits als junger Mann bei Fairchild und Intel durch Aktien-Optionen ein Millionenvermögen angehäuft und konnte es sich leisten, sich Ende der siebziger Jahre im Alter von nur 32 Jahren aus der Halbleiter-Industrie in ein Leben als “Privatier” zu verabschieden. Der umtriebige Absolvent der University of Southern California legte sich aber nicht auf die faule Haut, sondern machte sich als Berater und Angle Investor einen Namen.

Auf Umwegen trafen sich auch Apple-Mitbegründer Steve Jobs und Markkula. Jobs suchte in der frühen Phase des Unternehmens dringend nach Kapital, Markkula war von dem unorthodoxen Auftreten des langhaarigen Hippies und seinen Visionen fasziniert. Markkula besorgte nicht nur das Geld, das Apple für die Expansion benötigte, sondern übernahm auch die Rolle des Apple-CEO.

Über seinen Freund Mike kam Michael Spindler dann 1980 zu Apple: Der Deutsche übernahm die Führung bei der Vermarktung im kleinen Europa-Büro von Apple in Brüssel. Die Legende besagt, dass er in seinem neuen Job gut sechs Monate lang kein Gehalt erhalten hat, weil das Unternehmen noch immer kein europäisches Konto eröffnet hatte.

Michael Spindler und Steve Jobs
Michael Spindler und Steve Jobs

Apple Europe zieht 1981 dann nach Paris: Spindler zeichnet sich durch originelle und aggressive Kampagnen aus, die ihm in der Apple-Zentrale in Cupertino Anerkennung verschaffen. Von 1983 bis 1985 war er bei Apple General Manager Marketing und Vertrieb für Europa, anschließend übernahm er im Rang eines Vice President den internationalen Marketing- und Vertriebsbereich des Computer-Konzerns. 

Nach dem Rauswurf von Steve Jobs war in Kalifornien nun der ehemalige Pepsi-Manager John Sculley bei Apple am Ruder. Sculley schätzt in Spindler den fleißigen Manager, die in Europa immer wieder Absatzerfolge verzeichnen kann. 1987 wurde er Präsident von Apple Europa. In dieser Funktion leitete er den europäischen Vertrieb, den Kundendienst, das Marketing sowie den Bereich Forschung und Entwicklung. Unter seiner Führung konnte der Apple-Umsatz in Europa verdreifacht werden.

Während Apple mit dem stärkeren Wettbewerb durch PC-Clone-Hersteller zu kämpfen hatte, ging es für Spindler weiter die Karriereleiter hinauf: 1990 auf Empfehlung John Sculley wurde Spindler zum Präsident, Chief Operating Officer und Mitglied des Board of Directors befördert. „The Diesel“ übernahm damit die Verantwortung für alle internationalen Aktivitäten von Apple, einschließlich Apple USA, Apple Europa und Apple Pazifik. Darüber hinaus leitete er die Macintosh Produktentwicklung (Hardware und Systemsoftware) und die Geschäftsbereiche Produktion und Enterprise Systems.

Michael Spindler erläutert das Client/Server-Modell von Apple (1992)

Spindler versuchte immer wieder, den nationalen Apple-Gesellschaften den Spielraum zu verschaffen, um Eigenheiten des Heimatmarktes bedienen zu können. So gelang es Spindler, Apple auch im asiatisch-pazifischen Markt zu etablieren. Dazu veranlasst er Apple Japan, die Rechte an einem Kanji-Font zu kaufen und als Kanji-Talk in den Mac zu integrieren. Dies macht den Mac zu einem von weltweit zwei Computerherstellern, die PCs mit Kanji anbieten und öffnet den Weg zu einem unglaublichen Apple-Boom in Japan. Bis heute hat Apple mit dem Mac in Japan traditionell hohe Marktanteile. Das hat Apple letztlich „The Diesel“ zu verdanken.

Mit diesem Video richteten sich Sculley und Spinder 1992 an die verunsicherte Apple-Belegschaft.

In dieser Funktion verantwortete Spindler den Übergang von der veralteten 680×0-Mikroprozessor auf den mit Intel und Motorola entwickelten PowerPC-Chip. Während dieser Übergang halbwegs gelang, scheiterte Apple in dieser Zeit mit dem Vorhaben, für das altersschwache Macintosh-Betriebssystem einen würdigen Nachfolger zu finden. Gleichzeitig setzten die Windows-Maschinen der PC-Hersteller Apple immer weiter unter Druck – obwohl der Erfolg der ersten PowerBooks zwischendurch Entlastung brachte. Apple fand aber in dieser Phase gegen Microsoft und sein Windows-System keine geeignete Antwort.

Nachdem auch die Vorstellung des Newton-PDA die Ertragsmisere von Apple nicht beseitigen konnte,  zog Sculley Im Juni 1993 die Konsequenzen und überließ Spindler den Chefposten. Im Okt. 1993 trat Sculley auch als Chairman zurück und überließ seinen Posten Mike Markkula.

Spindler hatte in dieser Phase an der Spitze von Apple die undankbare Aufgabe, Kosten zu sparen. Die Namen der entlassenen Mitarbeiter machten auf „Spindlers Liste“ – eine sarkastische Anspielung der Betroffenen auf das Holocaust-Drama „Schindlers Liste“ – die Runde.

Die Clones verschärften die Apple-Krise noch.

Um das Macintosh-Betriebssystem nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen, lizenzierte Apple unter Spindler im Herbst 1994 die Software auch an andere Hersteller. Doch statt die Basis für das Mac OS zu erweitern, knüpften nun auch noch die Clone-Hersteller wie Power Computing und Motorola ihrem Lizenzgeber Apple weitere Marktanteile ab und verschärften den Preisdruck.

Die PC-Allianz von Microsoft und Intel drängte Apple immer weiter in die Ecke. Im März 1995 beklagte sich in einem SPIEGEL-Interview über die veränderten Kräfteverhältnisse.

SPIEGEL: Die Fachleute sagen, Apple baue die besten Computer. Warum sind Sie dann nicht der Marktführer?
Spindler: Das hat mit der Dynamik zu tun, die der andere Standard in den vergangenen zwei Jahren hatte . . .
SPIEGEL: . . . Sie meinen den von Microsoft gesetzten Industriestandard.
Spindler: Wenn 80 Prozent der verkauften Computer auf einem bestimmten Standard laufen, ist es natürlich nicht einfach, dagegen anzugehen. Egal, ob Sie gut sind oder nicht.

Michael Spindler im SPIEGEL 10/95

Apple hatte spätestens mit dem Start von Windows 95 der aufstrebenden Wintel-Allianz zu wenig entgegenzusetzen. Die Macs waren zu teuer und besaßen nicht mehr den technischen Vorsprung wie noch einige Jahre zuvor.

In dieser Zeit gab es auch die ersten Übernahmegerüchte. So waren wohl IBM und später auch Sun Microsystem dana interessiert, den angeschlagenen Computerpionier zu übernehmen. Die Misere bei Apple erreichte ihren Höhepunkt, als das Unternehmen im sonst umsatzstarken Weihnachtsquartal des Geschäftsjahres 1995/1996 einen Verlust von 69 Mio. US-Dollar ausweisen musste. Der Marktanteil des Macs sank auf 7,8 Prozent. 1993 lag er noch fast doppelt so hoch bei 13,6 Prozent. Im Februar musste Spindler seinen Posten als Apple-CEO verlassen. Die schlechte Nachricht musste ihm ausgerechnet sein Freund Mike Markkula überbringen.

Neuer Apple-Chef wurde Gilbert F. Amelio, der sich als Sanierer des Chip-Herstellers National Semiconductor Inc. einen Namen gemacht hatte. Amelios größte Ta war es dann, Steve Jobs als Retter in das Unternehmen zurückzuholen und durch die Übernahme seiner NeXT Inc. die Softwarekrise bei Apple zu lösen.

Michael Spindler verabschiedete schnell von der großen Bühne, auch weil die Bilanzen über seine Regentschaft bei Apple zu Abschied harsch ausfielen. So warf die New York Times ihm zu Abschied vor, die wahren Ausmaße des Problems auch zum Schluss nicht erkannt zu haben:

Jahrelang waren die nahezu fanatischen Kunden von Apple bereit, für die hochentwickelten, einfachen und benutzerfreundlichen Maschinen des Unternehmens Premiumpreise zu zahlen. In jüngerer Zeit jedoch, da die Computer von Microsoft-Intel einfacher zu bedienen sind und Apple versucht hat, seinen Marktanteil durch die Einführung weniger teurer Maschinen auszubauen, haben die PC-Preiskämpfe die Rentabilität des Unternehmens beeinträchtigt.

Da es immer deutlicher wird, dass das altehrwürdige Geschäftsmodell von Apple nicht mehr funktioniert, haben Analysten – und sogar einige Führungskräfte von Apple – verschiedene neue Strategien vorgeschlagen, darunter einen Fokus auf Software, die die Herstellung der Rechner Subunternehmern und Lizenznehmern überlassen würde.

Aber Mr. Spindler, der bei Apple einen verdienten Ruf als brillanter, operativ orientierter Manager hatte, behauptete weiterhin, dass die prekäre Situation von Apple nur ein Übergangsproblem sei.

John Markoff: Changing Guard at Apple: The Board Says ‚Enough‘

Nach seinem Ausscheiden bei Apple saß Spindler noch eine zeitlang in den Vorständen von Daimler und Bertelsmann, zog sich dann aber vollständig ins Privatleben zurück.

Über sein Privatleben wollte Spindler schon zu seinen Zeiten als Apple-CEO nicht gerne sprechen: „Verheiratet, drei Kinder, in meiner Freizeit lerne ich gerne neue Dinge und spiele ein wenig Tennis“, knurrte „The Diesel“im Sommer 1993 den Reporter des „Spiegel“ an.

Im Herbst 2018 berichtete das französische Portal MacGeneration, dass Spindler bereits in 2017 verstorben sei. Mehrere Quellen und Verwandte hätten diese Informationen bestätigt, darunter auch der ehemalige Apple-Manager Jean-Louis Gassée.

Quellen:
Anthony Nelzin-Santos: Michael Spindler, CEO d’Apple de 1993 à 1996, est mort

Marlene Buschbeck-Idlachemi: Michael Spindler – der glücklose Diesel

Munzinger Internationales Biographisches Archiv 27/1996 vom 24. Juni 1996, Michael H. Spindler

New York Times (4. Februar 1996) – John Markoff: Changing Guard at Apple: The Board Says ‚Enough‘

Tom Hormby: „Michael Spindler: The Peter Principle at Apple“

DER SPIEGEL (26/1993): Trockener Zahlen-Typ

DER SPIEGEL (10/1995): „Eine Bank, die Geld druckt“

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