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Erz-Rivale und Retter in der Not – Apple und Microsoft

Mit dem Macintosh wollte das Apple-Management die absolute Vorherrschaft von IBM verhindern. Dabei unterschätzten alle Bill Gates und Microsoft.

John Sculley

Die Marketingstrategie von Apple-Chef John Sculley zur Markteinführung des Macintosh war klar. Der ehemalige Pepsi-Manager, den Steve Jobs zu Apple geholt hatte, wollte einen Zweikampf zwischen IBM und Apple inszenieren, Schwarz vs. Weiß, mit Apple in der Rolle des Underdog. “Dutzende andere Computerfirmen stellten (in dieser Zeit) ihre Produkte vor, und ich befürchtete, dass wir in der Menge untergehen könnten”, schrieb Sculley später in seinem Buch “Odyssey”. „Wenn es uns gelingen würde, ein Zwei-Pferde-Rennen zwischen uns und IBM herzustellen, dann könnten wir die Leute überzeugen, dass wirklich nur zwei Computerfirmen im Markt im Wettbewerb stehen.”

Im Kampf gegen kleinere Konkurrenten wie Atari, Commodore, Sinclair und Amstrad ging die Apple-Strategie auch voll auf. Völlig unterschätzt hatten Sculley, aber auch Steve Jobs, dass Microsoft, ein Verbündeter der ersten Stunde, sich mit Hilfe von Apple zur dominierenden Kraft der PC-Industrie entwickeln und sogar IBM in den Schatten stellen würde.

Bill Gates und Paul Allen (1981)

Bill Gates und Paul Allen hatten Microsoft 1975 als kleine Softwarefirma in Albuquerque (New Mexico) gegründet und zusammen mit anderen Mitarbeitern die Programmiersprache BASIC für den legendären Rechner MITS Altair entwickelt. Durch glückliche Umstände ergatterte Microsoft 1980 den Auftrag von IBM, für den ersten IBM-PC nicht nur BASIC, sondern auch das Betriebssystem zu liefern. Der damals führende Betriebssystemhersteller Digital Research (CP/M) wollte sich in der Verhandlungsphase nicht auf seitenlange Knebelverträge von IBM einlassen – und verlor so diesen gigantischen Deal.

Microsoft hatte zu diesem Zeitpunkt zwar überhaupt kein Betriebssystem. Das hielt Bill Gates und seinen Compagnon Steve Ballmer jedoch nicht davon ab, gegenüber der IBM-Delegation hoch zu pokern. Von der benachbarten Softwarebude Seattle Computer (Microsoft war inzwischen in den Nordwesten der USA umgezogen) kauften sie im Juli 1981 für sage und schreibe 50 000 Dollar alle Rechte an QDOS (Quick and Dirty Operating System) und nannten es in MS-DOS um. Gates war damals clever genug, sich von den IBMlern nicht alle Rechte an dem System abhandeln zu lassen und konnte somit später auch Clone-Firmen wie Compaq als Kunden gewinnen.

Bill Gates lobt den Mac in einem offiziellen Mac-Prospekt.

Microsoft lieferte damals sein BASIC auch für den Apple II. Daher liefen sich Steve Jobs und Bill Gates in dieser Zeit ständig über den Weg. „Noch bevor wir unsere Arbeiten am IBM-PC abgeschlossen hatten, kam Steve Jobs und sprach darüber, wie man so etwas wie den Lisa Computer bauen könnte, nur viel billiger. Wir sagten, Mann, da würden wir gerne helfen“, erinnerte sich Gates. „Der Lisa hatte seine eigenen Anwendungen, aber natürlich verbrauchten sie viel Speicherplatz. Wir wussten, das können wir besser machen. So unterschrieb Steve einen Vertrag mit uns, nach dem wir tatsächlich Anwendungen für den ersten Mac liefern sollten. Wir waren große Fans des Mac und von dem, was Steve dort tat.“

Apple brauchte dringend Software für den Mac, denn bis auf die hauseigenen Produkte MacWrite und MacPaint gab es noch keine Programme für das neue System. Gates versprach, neben der Tabellenkalkulation Excel auch noch die Programme Chart und File für den Mac schreiben zu lassen. Steve Jobs würdigte das Risiko, dass Microsoft einging, war jedoch mit den ersten Ergebnissen nicht zufrieden. „Viele Leute erinnern sich heute nicht mehr daran: Aber vor dem Mac war Microsoft gar nicht im Anwendungsgeschäft. Das wurde damals von Lotus dominiert. Und als Microsoft anfing, für Mac zu programmieren, war das schon ein bemerkenswerter Einsatz. (…) Als sie dann mit den Applikationen rauskamen, waren die wirklich schrecklich geworden. Aber sie blieben am Ball und verbesserten die Programme.“

Apple hätte noch gut damit leben können, als Steigbügelhalter für das neue Applikationsgeschäft von Microsoft gedient zu haben. Doch Bill Gates hatte in dem Macintosh-Projekt Blut geleckt. Jeff Raikes, der heute bei Microsoft für das Office-Geschäft verantwortlich ist, blickt zurück: „Anfang 1982 starteten wir mit unserer Macintosh Software und an diesem Punkt machte es bei Bill wirklich Klick. Er kapierte, dass die graphische Benutzeroberfläche die Zukunft sein würde.“

Es dauerte allerdings noch bis zum November 1985, bis Microsoft die erste Version 1.01 von Windows vorstellte, zwei Jahre nachdem Gates auf der Herbst-Comdex 1983 in Las Vegas Windows in seiner ersten Comdex-Keynote angekündigt hatte. Das System setzte auf DOS auf und war unglaublich langsam, erinnerte aber in etlichen Funktionen an das Macintosh-GUI. Um rechtlichen Schritten von Apple gegen Windows zuvorzukommen, setzte Gates Apple-Chef Sculley unter Druck. Seine Botschaft lautete: Wenn Apple die Rechtsanwälte losschickt, stellt Microsoft sofort die Entwicklung von Word und Excel für den Mac ein. Und da Apple auf die Microsoft-Applikationen angewiesen war, lizensierte Sculley Microsoft einige Mac-Technologien.

Als Microsoft Anfang 1988 mit dem nächsten größeren Versionssprung Windows 2.03 an die Öffentlichkeit ging, versuchte Sculley die Reißleine zu ziehen und verklagte am 17. März 1988 Microsoft und Hewlett-Packard wegen Verstoßes des Urheberrechtes. John Sculley war in einer schwierigen Situation, zumal er sich in dem Vertrag mit Microsoft aus dem Jahre 1985 auf schwammige Formulierungen eingelassen hatte, die Gates und seiner Truppe viel Spielraum gaben. Außerdem wusste er, dass auch rein rechtlich gesehen die Aussichten, das Verfahren gegen Microsoft zu gewinnen, nicht besonders gut waren: „Das ‚Look and Feel‘, die Nutzererfahrung war nicht patentierbar, aber man konnte einen rechtlichen Copyright-Schutz beantragen. Es gab nur keine Präzedenzfälle. Dieser Fall musste selber Geschichte machen.“

Parodie auf einen Werbespot für Windows mit Steve Ballmer

Bill Gates erinnert sich auch nur ungern an diese Zeit: „Es dauerte immerhin fünf Jahre lang. In dieser Zeit hätte Microsoft, unsere ganze Strategie, ruiniert werden können, weil Windows so wichtig für uns war. (…) Wir nahmen aber an, dass die Anwälte, die Richter alle zu dem richtigen Schluss kommen würden, was sie letztendlich auch taten.“ Sculley: „Und Apple verlor. Aber in dieser Zeit von etwa sechs Jahren haben wir uns zu sehr in Sicherheit gewiegt, in dem Glauben, dass wir letztlich vor dem Windows-Angriff geschützt sein würden.“

Windows 3.1

Die Einführung von Windows 3.1 brachte 1992 Microsoft den Durchbruch im „GUI-Krieg“. Das System ließ zwar die Eleganz und Benutzerfreundlichkeit des Macintosh-Systems 7.0 missen, doch den meisten PC-Anwendern schien Windows gut genug. Mit Windows 95, das mit einem gigantischen Aufwand am 24. August 1995 vorgestellt wurde, schloss Microsoft weiter zum Mac auf und präsentierte sich in manchen Bereichen sogar fortschrittlicher als das mittlerweile in die Jahre gekommene Mac OS.

Steve Jobs, der den Vormarsch von Windows als Chef von NeXT aus der Ferne beobachtete, fand zum Start von Windows 95 keine freundlichen Worte für Bill Gates: „Das einzige Problem bei Microsoft ist, dass sie keinen Geschmack haben. Sie haben absolut keinen Geschmack. Ich meine das nicht im Kleinen, sondern im Großen. Sie bringen keine originellen neuen Ideen in ihre Produkte ein und sie bringen auch nicht viel Kultur in ihre Produkte. (…) Mich macht nicht der Erfolg von Microsoft traurig. Ich habe keine Problem mit ihrem Erfolg. Den haben sie sich zum größten Teil wohl verdient. Ich habe ein Problem damit, dass sie einfach drittklassige Produkte machen.“ Angeblich hat sich Jobs später bei Bill Gates für diese Bemerkung entschuldigt.

Steve Jobs über Microsoft (1995)

Die Beziehung zwischen Apple und Microsoft – und damit auch die Beziehung von Steve Jobs und Bill Gates – normalisierte sich erst wieder im Sommer 1997, als der zu Apple zurückgekehrte Steve Jobs die Hilfe von Microsoft in Anspruch nahm, um das in Schwierigkeiten geratene Unternehmen wieder profitabel zu machen.

Bill Gates auf der Videowand der MacWorld Expo 1997 in Boston

Viele eingeschworene Apple-Fans denken noch heute mit Schrecken an den Augenblick zurück, als Steve Jobs den einstigen Erz-Rivalen auf der MacWorld Expo 1997 in Boston ganz pragmatisch als Retter in der Not ankündigte und Bill Gates auf einer übergroßen Videowand wie „Big Brother“ erschien.

Microsoft investierte 150 Millionen Dollar in 150 000 Apple-Aktien und zahlte bestimmten Gerüchten zufolge weitere 100 Millionen Dollar für Urheberrechtsverletzungen der vergangenen Jahre. Gleichzeitig verpflichtete sich Gates, den Internet Explorer und Microsoft Office für den Mac für die kommenden fünf Jahre weiterzuentwickeln.

Zehn Jahre später sprachen Steve Jobs und Bill Gates in einem gemeinsamen Interview über ihren Wettbewerb und ihre Zusammenarbeit in einem gemeinsamen Interview auf der Konferenz D5, die von Kara Swisher und Walt Mossberg (damals noch unter der AllThingsD-Marks des Wall Street Journals) veranstaltet wurde. Wenn man sich das Interview anschaut, spürt man deutlich, welchen Respekt die beiden füreinander empfanden.

Wer nicht so viel Zeit hat, um sich das komplette Interview anzuschauen, kann sich hier die Highlights in einer gut acht Minuten langen Zusammenfassung ansehen.

Christoph Dernbach

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